Kerbespruch 1946

 

Nach langer, schwerer Kriegszeit –

feiern wir wieder unser Kirchweihfest heut.

Vor hundert – und ich weiß nicht ganz genau die Jahre,

als hier von uns noch keiner war,

ward unsere Kirche eingeweiht – zum Tempel für die Christenheit.

Auf festem Grund steht sie gebaut – und trotzet jedem Sturme,

und ihre Glocke rufet laut – von dem hohen Turme.

Sie ladet uns zur Feier ein – und mahnet zum Gebet,

sie bringet uns den Morgengruß – und tönet, wenn der müde Fuß

des Nachts zur Ruhe geht.

Selbst ihre Trauerklänge schallen – wir nach jener Stätte wallen.

Doch vor allem sei ein Ziel gesteckt – dass uns kein Feuerruf mehr weckt.

Drum wollen wir diesen Bund erneuern

Und heute unsere Kirchweih feiern. –  Vivat!

 

Ich grüße euch, ihr lieben Kirchweihgäste all von nah und fern,

Willkommen seid ihr mir.

Wir sehen euer Kommen gern – und danken euch dafür.

Kann es auch nicht wie früher sein,

fehlt uns noch der beliebte Rheingauwein.

Und Bratwürste, Kotletts, Schnitzel und Spiegeleier sind noch nicht zu haben,

so wollen wir uns an Dünnbier laben,

Hoffnung hegen auf bessere Zeiten,

wo wir in Frieden und Fröhlichkeit

Feiern wieder wie in alter Zeit.

Doch heute ist die Hauptsache freuen und singen,

lustig und leicht im Tanze uns schwingen,

Hinter uns liegt eine schwere Zeit,

voll Not und Kummer und Herzeleid.

Alle wir hier – noch jung an Jahren,

haben schon Furchtbares erlebt und ertragen.

In fernen, fremden Ländern gekämpft und gelitten,

geblutet – und um unser Leben gestritten,

gefürchtet, gehungert, gefroren, oft voll Zweifel und Bangen,

zuletzt noch alle elend gefangen.

Liebe Kameraden – die ihr noch fern von uns weilt,

glaubt es – wir haben euch nicht vergessen,

auch jetzt unser Gruß – und der Wunsch zu euch eilt,

dass wir es bald wieder können, wie wir früher so einig zusammen gesessen

kommt bald gesund und froh zurück.

Mit uns erwarten euch eure Lieben,

dann werde euer Lebensweg voll Sonne und Glück.

Habt ihr auch manches verloren, das Beste ist euch doch noch geblieben,

denn die Heimat – und unser Dörfchen hier,

haben den Krieg stark zu spüren bekommen

und manches altehrwürdiges Bauernhaus

wurde von den Bomben und Kugeln arg mitgenommen.

Doch wollen wir uns freuen, das die schlimme Zeit vorbei

und schon früher haben wir gesungen:

Auf jeden strengen Winter folgt wieder ein Mai“. – Vivat!


 

Doch jetzt gebt Ruh – und hört mir zu,

was ich noch weiter sagen tu.

Zur großen Freude der ganzen Gemeinde,

kam der Herr Pfarrer wieder zurück.

Es sei ihm vergönnt – dass seine Leidenszeit nun hat ein End,

es mögen ihm beschieden sein,

die Gemeinde im Frieden noch lange zu betreuen.

Auch lasse der Herrgott es gelingen,

dass bald wieder drei Glocken vom Turme erklingen,

und die Kirche wieder wird was sie früher war;

Gotteshaus – darin ein heiliger Altar. – Vivat!

 

Nun spreche ich -´s ist doch erlaubt – von unserm neue Oberhaupt.

Der Herr Bürgermeister, das ist ein Mann,

der alles weiß – und alles kann.

Es ist voll Schlauheit und voll List,

doch schmeißt er nicht allein die Kist.

Ihm zur Seite stehen tüchtige Vertreter,

als neugewählte Gemeindeväter.

Sie führen das Gemeindesteuer mit Geschick

Und bringen uns langsam zum Wohlstand zurück.

Sehr gut würden sie uns aber gefallen,

wenn gebaut würde eine neue Dorfstraße und die Autohallen. – Vivat!

 

Der Gemeinderechner – der ist auf dem Deckel,

Er hat immer voll den Gemeindesäckel.

Holzgeld wird bald keines mehr erhoben,

denn es wird ja doch alles verschoben.

Nur für ein Vieh wird bezahlt treu und ich tu es euch kund,

denn es ist ja doch fast jeder gekommen auf den Hund – Vivat!

 

Wie viele in der heutigen Zeit,

so kamen auch unsere Lehrersleut

vom deutschen Osten, der für uns ist versperrt,

überhaupt ist die Heimat zerstückelt und ihr Bild verzerrt.

Doch muß es in Zukunft wieder möglich sein,

dass alle Flüchtlinge zurück können, wo sie in Wahrheit finden daheim.

Und weil die Frau Lehrer die Kinder zu wenig verknüllt,

kriegt sie und ihr Mann und alle Ostflüchtlinge ein Lied aufgespielt.

Ihr Musikanten spielt, dass es hört die ganze Welt:

Ännchen von Tharau ist´s die mir gefällt. – Vivat!

 

Unser neuer Feldschütz, das ist noch ´ne Nummer.

Der macht allen Spitzbuben großen Kummer.

Er ist bekannt als groß und stark,

und hat schon viele gefangen mit ´nem lerre Kartoffelsack.

Er ist gerennt durch´s Dorf in einer Hast

Und wie er hinkam – hat er zwei Freier gefasst.

Die zwei waren ganz erschreckt und wollten´s schon bereuen,

zum Glück kam das Liebchen und tät sie befreien – Vivat!

 

Es war im Monat Mai in einer lauen Nacht,

da hat es in Laufen gehörig gekracht.

Ein Auto raste mit zwei Besoffenen gegen das Eck,

bis die es gemerkt hatten, war der Eckpfosten weg.

 

Vom Führerschein abnehmen und „Lumpen“ wurde geschrien,

„Haltet sie fest – drauf – feste drauf – ehe sie fliehen!“

Ein Glück war´s, dass ein Fachmann dabei und es hat nicht lang gedauert.

Am nächsten Samstagmorgen war die Ecke wieder aufgemauert – Vivat!

 

Autofahren ist nicht jedermanns Sache,

und wer es nicht richtig kann, bleibt lieber auf der Wache.

Wie nach dem Feiern, der Soldat sein Bräutchen wollt heimbringen

Versagten Hand und Augen ihm, ´s wollt` nicht mehr recht gelingen.

Da kam der Wachmann zu Hilfe, dass hat nur so geflutscht,

doch bei Klarenthal auf dem Heimweg, sind sie in´s Geländer gerutscht. – Vivat!

 

Vor gar nicht allzu langer Zeit – begab sich eine große Seltenheit.

Der Fenstersturz zu Prag endete auf dem Mist.

Aber hier wurde gehandelt mit schlauer List.

Der Sprung wurde getan aus Angst mit Geschrei,

gerade in die Arme der Polizei.

Zur späten Stunde geschah das Malheur,

und Autobus fuhr auch keiner mehr,

Ich rat Euch drum ihr Mädchen – bleibt nicht zu lang im Städtchen.

Fahrt immer schön mit dem Autobus heim,

dann braucht Ihr auch nicht in die Polizeiwache hinein. – Vivat!

 

Die Welt macht immer noch Fortschritte.

Ein lustiges  Feiern in der Bahnhofsmitte,

wo treue Beamte walten, wird in aller Stille Verlobung gehalten.

Schinken, Wurst und Wein waren nicht zu zählen.

Im Keller daheim wird wohl manch Fläschchen fehlen.

Die Väter können da immer so schwer begreifen.

Und lassen den Spazierstock unnötig lang durch die Luft pfeifen.

Verspricht man auch Besserung und Buße,

erfolgt die Entlobung schlagartig auf dem Fuße.

Unter Heulen und Schwitzen

musste das arme Kind noch lange auf dem Speicher sitzen. – Vivat!

 

Wenn Zweie noch ein Brautpaar sind, dann haben sie ´nen Fimmel.

Dann möchte er sein Bräutchen stets raufheben in den Himmel.

Doch wenn sie erst im Ehestand drin, könnt er vor Wut erblassen,

dass er beim Himmelheben, sie nicht gleich oben gelassen.

Wenn Zweie noch ein Brautpaar sind, und sind beim Mittagstische,

so sucht sie sich die Gräten aus und er bekommt die Fische.

Doch wenn sie erst verheirat sind, so wird sie täglich frecher.

So isst sie ganz allein den Käs, und er bekommt die Löcher.

Ist die Frau in Hoffnung dann – die Zulagen holt ab der Mann.

Sind sie bestimmt für Frau und Kinder,

so frißt sie ganz allein der alte Sünder.

Wenn Zweie noch ein Brautpaar sind, dann hat das feine Mucken.

Sie könnten sich von früh bis spät wohl in die Äuglein gucken.

Doch wenn sie erst im Ehestand drin, so dauert´s eine Weile,

so drehen sie sich zu des Nachts die beiden Gegenteile.

Wenn Zweie noch ein Brautpaar sind, so necken sie und scherzen,

hat sie am Fuß gestoßen sich, trüg gern er ihre Schmerzen.

Doch wenn sie erst im Ehestand drin, und stößt sie sich am Füßchen,

„heb hoch die Latschen“ schreit er dann

„du dämliches Radischen“ – Vivat!

 

Das Schweinchen wollt im Miste sich erquicken,

und nahm gleichzeitig die Hausfrau verkehrt auf den Rücken.

Die Freude war groß, der Schreck nicht klein,

erst auf der Straße kam sie wieder auf die Bein – Vivat!

 

Doch jetzt endlich Schluß mit all dene Doffe.

Noch ein Lob der Frau Wirtin,

die uns immer so lieb den Saal hat überlasse.

Und auch die junge Wirtin ist ´ne gute Haut,

nur öfter dann und wann was überlaut.

Der Martin bleibt auch nit vergessen.

Beim Dreschen hat der gekniet, nit gesessen.

Der Dreschflegel wär so kurz, hat er erzählt.

Na jeder schafft so bequem, dass er sich nit quält.

Herr Röhr – was ist mit dem oberen Saal?

Für einen Saal ist zu groß die Tänzerzahl!

Wenn wir schon den Saal nicht bekommen, geben Sie uns Hüte,

es wird überall gesprochen von ihrer altbekannten Güte!

Jede von unseren Kerbemädchen hätte daran Interesse,

jedoch auch die anderen sind auf Röhr-Hüte ganz versesse.

Nur unter einen Hut sind sie schwer zu bringen,

erst wenn für die die richtigen Männer gebraten sind,

dürfte das gelingen.

Drum sag ich´s hier frank und frei,

die schönsten und herzigsten Mädchen sind heute dabei,

Mit Lödchen und Wellen und Rosen im Haar,

ja, Schleifchen tragen sie sogar.

Die Augen blitzen voll Übermut,

die Wangen erglühen in Purpurglut.

Sie verlieren nicht die Farben, wenn man sie berührt,

denn bei ihnen ist nichts und mit ihnen ist niemand angeschmiert.

Drum rate ich Euch – Ihre Kerbeburschen,

halten sie in Ehren und bleibt ihnen auch nach der Kerb noch treu,

bedenkt, dass die Jugendzeit geht schnell vorbei.

Scherzt, herzt und küsst eure Kerbebräutchen.

Ich wünsche, das manche davon wird einem ein liebes Weibchen.

Ihr Kerbeburschen, haltet euch ran,

zeigt, dass ein jeder von Euch ein Mann.

Doch, dass mir keine Klagen kommen.

Ich habe keine Verantwortung übernommen.

Verkauft eure Lose und Kerbesprüch,

und bringt für die Mädchen etwas Gutes auf den Tisch.

Nun auf in den Saal, der Tanz kann beginnen.

Die Musik wird die herrlichsten Tanzweisen bringen.

Walzer, Tange und auch den Swing für die Jungen,

Rheinländer und Lieder lustig mitgesungen.

Auch dann und wann einen für die Alten.

So wollen wir die diesjährige Kirchweih halten.

Amüsiert Euch alle gut bis Dienstag um neun,

dann habt ihr sicher genug und geht vergnügt heim.

Doch einmal Mundschenk schenke voll ein,

das letzte Glas soll auf Euer aller Gesundheit sein – Vivat!